Tiefbiss & Deckbiss: Ursachen, Auswirkungen und Behandlung bei Kindern & Erwachsenen
Ein tiefer Biss ist eine sehr häufige Kieferfehlstellung und hat in den meisten Fällen genetische Gründe. Nicht behandelt, kann er je nach Ausprägung erhebliche Folgeschäden mit sich bringen, weswegen Sie unbedingt frühzeitig einen Kieferorthopäden zur Beratung aufsuchen sollten – denn früh erkannt, ist schneller behoben!
Welche Probleme ein unbehandelter Tief- bzw. Deckbiss mit sich bringt, woran sie die Fehlstellung überhaupt erkennen und wie wir Ihnen helfen können, lesen Sie hier.
Das Wichtigste vorab
- Bei einem Tiefbiss überragen die oberen Schneidezähne die unteren mehr als üblich, was verschiedene gesundheitliche Probleme zur Folge haben kann.
- Weisen sie zudem eine Schieflage nach innen auf und sind die unteren Zähne nahezu gar nicht mehr sichtbar, spricht man von einem Deckbiss.
- Beide Fehlstellungen sind gut therapierbar, jedoch erweist sich die Behebung bei Erwachsenen als deutlich schwieriger und langwieriger. Manchmal ist bei Männern und Frauen sogar eine OP nötig.
- Im Normalfall können Tief- wie auch Deckbiss mit herausnehmbaren oder festen Zahnspangen sowie mit Schienen behoben werden.
- Bei Kindern kann sich hier das noch nicht abgeschlossene Wachstum von Kiefern und Zähnen zunutze gemacht werden.
Merkmale: Was ist ein Tiefbiss?
Ein tiefer Biss ist ein vergrößerter Überbiss. Normalerweise bedecken beim Zusammenbeißen die oberen Schneidezähne die unteren um etwa 2 bis 3 Millimeter. Beim Tiefbiss ist das anders: Hier ragen die oberen Frontzähne zu weit nachunten und bedecken so nahezu oder vollständig die Zahnreihe des Unterkiefers.
Es handelt sich beim tiefen Biss also um eine vertikale Relationsverschiebung des oberen und unteren Kiefers zueinander. Selten ist der Tiefbiss eine isolierte Erkrankung und geht meist mit Defiziten in anderen Ebenen einher.
Wissenschaftler kommen zu der Erkenntnis, dass etwa 50 Prozent der Jugendlichen einen Überbiss in dieser Form vorweisen, bei 6 bis 7 Prozent der Kinder überragen die oberen Schneidezähne die unteren sogar um mehr als sechs Millimeter.
Tiefer Biss und Deckbiss: Was ist der Unterschied?
Eine besonders ausgeprägte Form des tiefen Bisses ist der sogenannte Deckbiss. Hierbei verschwinden die unteren Frontzähne vollständig hinter der oberen Zahnreihe. Außerdem sind die oberen Scheidezähne zusätzlich nach innen gekippt.
Dabei besteht besondere Gefahr, dass sowohl die oberen, als auch die unteren Scheidezähne das Zahnfleisch des Gegenkiefers berühren und dort zu Verletzungen führen.
Ursachen eines Tief- bzw. Deckbisses?
Sowohl Tief- als auch Deckbiss sind meist genetisch bedingt. Da sich obere und untere Schneidezähne nicht gegenseitig stützen, gibt es keinen Impuls, den Wachstumsprozess zu stoppen. Das Resultat: Die Zähne wachsen immer weiter, bis sie das Zahnfleisch berühren. Man spricht hier von einer Exkrusion.
Außerdem ist es möglich, dass die Fehlstellung durch die Backzähne hervorgerufen wird. Wenn diese langsamer herauswachsen, bekommen sie beim Zubeißen erst spät Kontakt mit der gegenüberliegenden Zahnreihe. Die Schneidezähne wachsen somit weiter und überragen sich entsprechend auch hier weiter als im Normalgebiss.
Häufig tritt ein tiefer Biss in Kombination mit einem Überbiss auf, wodurch auch dieser als ursächlich für den folgenden Tiefbiss gesehen werden kann. Bei einem Überbiss ragt der Oberkiefer zu weit über den Unterkiefer. Entsprechend fehlen den Schneidezähnen ebenfalls die Gegenspieler und wachsen immer weiter, bis sie die Gaumenschleimhaut bzw. das Zahnfleisch berühren. Ist dies der Fall, muss nicht nur der Tief- bzw. Deckbiss korrigiert werden, sondern ebenfalls der Überbiss.
Folgen einer Nichtbehandlung
Als primäre Folgen eines tiefen Bisses berühren die oberen Scheidezähne das frontale Zahnfleisch der unteren Schneidezähne, was man auch als Gingivakontakt bezeichnet. Wird das Zahnfleisch dadurch sogar verletzt, sprechen Fachleute von einem traumatischen Gingivakontakt. Außerdem ist ebenfalls eine Berührung der unteren Schneidezähne des vorderen Gaumens möglich, welcher ebenfalls dadurch verletzt werden kann.
Die Verletzung von Zahnfleisch und Gaumenschleimhaut klingen im ersten Moment vielleicht nur nach einer Lappalie, die nicht zwangsweise eine kieferorthopädische Behandlung der Fehlstellung erfordert. Dies ist aber ein Irrglaube. Denn die Verletzung dieser Regionen kann wiederum weitere weitreichenden Folgen nach sich ziehen.
So sind diese Folgen nicht nur schmerzhaft für den Patienten, auch das verletzte Gewebe kann sich zurückbilden und seine ursprüngliche Funktion nicht mehr gewährleisten. Zudem kommt es durch die Fehlstellung nicht selten zu Kiefergelenkproblemen einhergehend mit Verspannungen und Schmerzen, sowie zu einer Beeinträchtigung des Gesichtsprofils in Folge des weiter vorne sitzenden Oberkiefers.
Die Folgen eines nichtbehandelten Tiefbisses sind also nicht zu unterschätzen und vielseitig:
- Verändertes Gesichtsprofil
- Kiefergelenkbeschwerden
- Verletzungen und Entzündungen an Zahnfleisch und vorderen Gaumen
- Zurückbildung des Zahnfleisches
Tief- und Deckbiss: Arten der Behandlungsmethoden
Da sowohl der tiefe Biss als auch der Deckbiss zwar meist genetisch bedingt sind, aber dennoch verschiedene, häufig kombinierte, Ursachen aufweisen, gibt es zur Behandlung dieser auch unterschiedliche Ansätze: die Intrusion und die Extrusion. Auch eine Kombination aus beiden Ansätzen ist möglich. Welche Behandlungsmethode bei einem Patienten den größeren Erfolg verspricht, erklären wir Ihnen im Beratungsgespräch.
Tiefbissbehandlung Intrusion
Bei einer Intrusion wird die Ursache der verlängerten oberen Schneidezähne in den Mittelpunkt gestellt. Der Kieferorthopäde versucht, die Zähne vorsichtig über Zeit hinweg in den Oberkiefer zurück zu bewegen.
Tiefbissbehandlung Extrusion
Die Extrusion betrachtet den Gegenspieler. Dieses Verfahren hat zum Ziel, die zu kurzen Zähne zum Herauswachsen zu bewegen.
Tiefbissbehandlung in Kombination mit Überbiss
Liegt zusätzlich zum tiefen Biss ein Überbiss vor, so wird dieser ursächlich behandelt. Dies geschieht indem das Wachstum des Oberkiefers gehemmt bzw. das Wachstum des Unterkiefers gefördert wird. Dies ist ausschließlich bei Kindern und Jugendlichen möglich. Bei erwachsenen Patienten ist deshalb ein kieferorthopädischer Eingriff notwendig
Grundsätzlich ist es immer einfacher, jüngere Patienten mit Tief- bzw. Deckbiss und eventuell zusätzlichem Überbiss zu behandeln. Bei Erwachsenen ist das Wachstum bereits abgeschlossen, wodurch die Knochenumbauprozesse im Kiefer nicht mehr genutzt bzw. beeinflusst werden können. Ein frühe Behandlung im Kindes- bzw. Jugendalter ist somit immer vorzuziehen.
Behandlungsmöglichkeiten eines Deck- bzw. Tiefbisses
Für die Behandlung eines Tiefbisses kommen verschiedenste Zahnspangen – sowohl lose als auch feste Modelle – Zahnschienen, sowie in besonders schweren Fällen bzw. bei Männern und Frauen, bei denen das Wachstum bereits abgeschlossen ist, auch kieferchirurgische Maßnahmen zum Einsatz.
Welches Spangenmodell benutzt wird, hängt wie bei allen kieferorthopädischen Maßnahmen vom Alter des Patienten, der genauen Ausprägung der Fehlstellung sowie dem Schweregrad dieser ab.
Art | Modell | Für wen geeignet | Erklärung |
Herausnehmbar bzw. lose | Aktive Platten mit frontalem Aufbiss | Kinder | Aktive Platten bestehen aus Kunststoff und verbindenden Drahtbögen. Sie üben über Zeit hinweg einen mechanischen Druck auf die Zähne aus. Durch aktive Elemente wie etwa eine Schraube wird der Druck immer weiter erhöht bzw. die Spange dem Behandlungserfolg angepasst. |
FKO-Geräte | Kinder | Funktionskieferorthopädische Geräte machen sich die Mundmuskulatur, die beim Sprechen und Schlucken aktiviert wird, zu Nutze. Sie liegen locker im Mund und geben über ihre Form vor, wohin sich die Zähne hinbewegen sollen. Auch sie bestehen aus Kunststoff mit eingelassenen Drahtelementen. Man unterscheidet zwischen Aktivatoren, Bionatoren und Doppelvorschubplatten. | |
Aligner Schienen | Kinder & Erwachsene | Aligner oder Invisalign-Schienen sind Zahnschienen aus durchsichtigem Kunststoff, welche exakt an die Zahnform des Patienten angepasst werden. Sie dienen vornehmlich zur Korrektur von leichteren Zahnfehlstellungen und werden aufgrund ihrer Unauffälligkeit häufig bei erwachsenen Patienten eingesetzt, kommen aber auch bei Jugendlichen mit bereits abgeschlossenem Zahn- und Kieferwachstum zum Einsatz. | |
festsitzend | Brackets | Kinder & Erwachsene | Brackets sind kleine Elemente aus Metall, Keramik oder Kunststoff, die auf die Zähne selbst aufgeklebt und mit einem Drahtbogen verbunden werden. Geschieht dies auf der Rückseite der Zähne, so spricht man von der Lingualtechnik. |
Extraorale Geräte | Kinder | Diese Spangenform liegt zu Teilen außerhalb des Mundes. Bei der auch als zervikaler Headgear bezeichneten Spange, werden Röhrenverstrebungen an den Backenzähnen angebracht, an welche wiederum der außenliegende Drahtbogen geknüpft wird. |
Wann ist eine Kieferorthopädische OP notwendig?
Meist können der tiefe Biss bzw. der Deckbiss mit Hilfe von Zahnspangen oder Schienen behandelt werden. Nur in äußerst schweren Ausprägungen muss zusätzlich eine kieferchirurgische Maßnahme in Betracht gezogen werden. Dies ist bei Kindern selten, häufiger jedoch bei Erwachsenen mit abgeschlossenem Kiefer- und Zahnwachstum der Fall.
Bei einer Operation aufgrund eines tiefen Bisses wird der Unterkiefer vorverlagert, sodass das Gesichtsprofil harmonisch erscheint und die Zähne wieder optimal schließen. Dies geschieht unter Vollnarkose bei einem circa einwöchigen, stationären Aufenthalt in einer kieferchirurgischen Einrichtung.
Auch nach einem solchen chirurgischen Eingriff können weitere Kieferorthopädische Maßnahmen nötig sein. Um das Ergebnis auch langfristig zu halten, ist in jedem Fall der Einsatz eines Retainers zu empfehlen.
Tiefbisskorrektur: Stabilisierung und Retention
Zähne bzw. Kiefer neigen dazu, sich nach einer Korrektur wieder in ihre Ausgangsposition zurückzubewegen. Dies geschieht nicht von jetzt auf gleich, sondern schleichend und über Zeit. Damit Sie lange Freude an den Ergebnissen der kieferorthopädischen bzw. chirurgischen Maßnahmen haben, liegt ein besonderes Augenmerk auf der Stabilisierung des Resultats und der Retentionsphase.
Bei einem Tiefbiss ist es in dieser Zeit wichtig, die unteren Frontzähne weiterhin abzustützen, um ein erneutes Wachstum der Frontzähne zu vermeiden. Dies geschieht durch einen entsprechend angepassten Retainer.
Die Dauer einer kieferorthopädischen Behandlung ist sehr unterschiedlich und schwer einzuschätzen. Hier spielen verschiedene Komponenten wie etwa das Alter des Patienten, der Schweregrad und die Art der Fehlstellung eine Rolle.
Grundsätzlich gilt jedoch: Umso früher das Problem erkannt wird und eine Behandlung eintritt, desto schneller kann diese auch abgeschlossen werden. Tiefbisse sind, schnell erkannt, verhältnismäßig flott und einfach zu therapieren. Planen Sie jedoch definitiv mehrere Monate, in schweren Fällen auch ein paar Jahre ein.
Ob eine kieferorthopädische Maßnahme finanziell übernommen wird, hängt von deren Einstufung in den kieferorthopädischen Indikationsgruppen ab. Die Kostenübernahme tritt bei einer Einstufung von Kindern in den KIG ab T3 ein. Im Fall eines Tiefbisses bedeutet das: Überragen die Schneidezähne die untere Zahnreihe um mehr als 3 Millimeter und ist infolgedessen ein traumatischer Gingivakontakt (Verletzung des Zahnfleisches) vorhanden, werden die Behandlungskosten übernommen.